vendredi 15 février 2013

Der Länderfinanzausgleich: zwischen Solidarität und Wettbewerb

Le président du Land de Bavière Horst Seehofer (à droite) et son homologue du Land de Hesse Volker Bouffier, le 5 février à Wiesbaden. Arne Dedert/AFP
Die Ministerpräsidenten Hessens und Bayerns, Volker Bouffier (CDU) und Horst Seehofer (CSU), haben am 5. Februar 2013 beim Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich eingereicht[1]. Der Länderfinanzausgleich besteht in Transferzahlungen von den „reichen“ zu den „armen“ Bundesländern. Hessen und Bayern gehören zu den 4 größten Geberländern Deutschlands. Im vergangen Jahr hat Bayern insgesamt 3,9 Milliarden Euro zahlen müssen, während Hessen 1,33 Milliarden Euro abgegeben hat. Laut Bouffier und Seehofer sei der Finanzausgleich deswegen ungerecht, weil Geberländer am Ende weniger Geld pro Kopf haben als Empfängerländer. Dagegen will sich das Land Baden-Württemberg (Rot-Grün), das auch viel für die anderen Länder zahlen muss, der Klage nicht anschließen. Dennoch ist diese Frage überhaupt nicht neu. Schon 1999 hatten Hessen, Bayern und Baden-Württemberg vor dem Karlsruher Gericht geklagt und sich für eine Reform des Föderalismus geäußert[2]. Es gibt also zwei verschiedenen Auffassungen des Föderalismus: die eine fordert mehr Wettbewerb zwischen den Bundesländern und die andere ist auf Solidarität gegründet. 



Die Solidarität liegt im Kern des Finanzausgleichs. Der Begriff „Finanzausgleich“ ist am Ende des 19. Jahrhunderts in der Schweiz entstanden, also in einem föderalen Staat. 1927 hatte Popitz den Finanzausgleich als die Gesamtheit der Tatbestände und Regelungen bezeichnet, die die finanziellen Beziehungen unter den in einem Staatswesen vorhandenen Gebietskörperschaften umfassen. Heute gilt diese Definition für Deutschland immer noch, obwohl das System viel komplexer ist. Man muss einen vertikalen Finanzausgleich (Bund --> Länder) von einem horizontalen Finanzausgleich (unter den Ländern) unterscheiden. Diese zwei Formen des Finanzausgleichs sind im Grundgesetz verankert (Artikel 106 und Artikel 107) und dienen der „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ (Artikel 72, Abs. 2). Diese territoriale Solidarität stellt also einen Kompromiss zwischen der Unabhängigkeit der Bundesländer und der solidarischen Beteiligung am Bund dar[3].

Der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne entspricht einer Form des horizontalen, kooperativen und solidarischen Finanzausgleiches. Er ist die erfolgreichste Struktur der Bundesländersolidarität in Deutschland, weil er ohne Intervention des Bundes funktioniert. Sein Ziel ist es, „die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen auszugleichen“ (Art. 107 Abs. 2, GG). Hier geht es nicht darum, die sehr komplexe Rechnung zu beschreiben, sondern man muss bemerken, dass der Länderfinanzausgleich einen effizienten Ausgleich unter den Ländern ermöglicht, wie die Grafik es klar darstellt[4]

Trotz seines Leistungsstands wird der Länderfinanzausgleich prinzipiell kritisiert. Die Hauptkritik besteht darin, dass er zu einem „moralischen Risiko“ führen könnte. Da die Nehmerländer die Transferzahlungen für gesichert halten, würden ihnen den Anreiz genommen, selbst ihr Defizit zu stabilisieren. In diesem Modell wirkt das Nehmerland wie ein fauler Rauschgiftsüchtiger, der ewig auf seine Dosis wartet. Außerdem wird Kritik gegen den Finanzausgleich geübt, weil er den naturhaften Wettbewerb unter den Ländern verfälscht. Laut dem „Tiebout-Modell“ wird die Wohnsitzwahl der Individuen zum Indikator für die Effizienz der Länder. Wenn das Angebot an öffentlichen Diensten und der Finanzbericht den Präferenzen der Individuen nicht entsprechen, dann können sie einfach das Land verlassen (voting by feet). Infolgedessen werden die Einwohner der ineffizientesten Länder in die effizienteren Länder ziehen. Im deutschen Föderalismus gibt es aber den Länderfinanzausgleich, der in dieser Ansicht wie eine Strafe für die finanzpolitisch tugendhaften Länder wirkt: statt nach Hessen und Bayern umzuziehen bleiben die Berliner in der defizitären aber coolen Hauptstadt, die von den zwei vorbezeichneten südlichen Bundesländern finanziert wird.

Q.H.

[1] „Offensichtlich verfassungswidrig“, FAZ, 05.02.2013.
[2] "Ein Akt der politischen Notwehr", Hessicher Rundfunk Online, 05.02.2013.
[3] Laurent Guihéry, "Fédéralisme fiscal en Allemagne. Quelle réforme de la péréquation financière allemande ?", Économie publique/Public economics [En ligne], 08 | 2001/2.
[4] "1982 – 2002 : Les enseignements de vingt ans de décentralisation", La Gazette de la société et des techniques, n°18, janvier 2003.

Aucun commentaire:

Enregistrer un commentaire