dimanche 16 décembre 2012

Der NSU-Skandal angesichts der deutschen Innensicherheitspolitik


Les trois membres de la cellule néo-nazie "NSU"
In November 2012 wurde vom Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) eröffnet. Diese neue Einrichtung soll das 2004 gegründete Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) und das Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAR) eingliedern. Während das GTAZ nur den islamistischen Terrorismus bekämpft, wurde das GAR als Antwort auf die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gegründet[1]. Die drei Mitglieder des NSU (auch als „Zwickauer Zelle“ bezeichnet) haben mit ihren zehn rassistischen Totschlägen die sicherheitspolitischen Strukturen Deutschlands erschüttert. Von 2000 bis 2007 haben Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe acht Türken, einen Griechen und eine Polizistin getötet, ohne dass die Behörden eingegriffen haben. Durch den Rücktritt vom Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz[2] Heinz Fromm ist deutlich geworden, dass der deutsche Inlandsnachrichtendienst Dokumente und Beweise vernichtet hat, die die von der Polizei NSU-Verhaftung erleichtert hätten[3]

Dieser Skandal soll aber nicht verbergen, dass die heutigen Strukturen der Sicherheitspolitik Deutschlands im Bereich Terrorismus sehr stark von den Terroranschlägen am 11. September 2001 geprägt sind. November 2001 hatte der Bundesinnenminister der Rot-Grün Koalition Otto Schily das erste Antiterrorpaket angekündigt. In diesem Rahmen wurden 3 Milliarden Mark zur Terroristenbekämpfung im Haushalt 2002 eingeräumt, damit die Flugsicherung, die Ausrüstung der Bundeswehr und die Sicherheitseinrichtungen verbessert werden könnten. Interessanter sind aber die zwei Gesetzänderungen, die gleichzeitig in Kraft gesetzt wurden[4]. Genauso wie in den USA mit dem „Patriot Act“ wurden die Freiheitsrechte wegen den Terrorismusrisiken in Deutschland gesetzlich eingeschränkt. Erstens wurde das „Religionsprivileg“ abgeschafft. Laut dem ehemaligen Vereinsrecht galten Religionsgemeinschaften nicht als Vereine im Sinne des ersten Abschnitts § 2 des Vereinsgesetzes[5] und konnten deswegen nicht durch dieses Gesetz verboten werden. Ab 2001 können dann Vereinigungen, die Religion als Deckmantel für extremistische Ziele missbrauchen, auch verboten werden. 2002 wurde das Vereinsgesetz zur Bekämpfung extremistischer Vereinigungen nochmal geändert, in dem Sinne, dass die Unterstützung gewalttätiger oder terroristischer Organisationen zum legitimen Grund eines Vereinsverbots geworden ist. Des Weiteren wurde das Strafgesetzbuch geändert, damit terroristische Aktivitäten im Ausland auf Initiative der Regierung strafrechtlich verfolgt werden können[6]. Vorher war die Voraussetzung für die Strafbarkeit, dass die terroristischen Vereinigungen im Bundesgebiet bestehen.

Le siège du "Bundesamt für Verfassungsschutz" à Cologne
Dann wurde im Januar 2002 ein Terrorismusbekämpfungsgesetz veröffentlicht. Dies stärkte unter anderem den Verfassungsschutz und griff das Trennungsgebot[7] zwischen Polizei und Nachrichtendienst an. Genau die gleiche Herausforderung stelle sich heute bezüglich des GETZ, so die Linke, die eine verfassungsrechtliche Klage gegen die Einrichtung prüfen will[8]. 2002 erhielt der Verfassungsschutz Auskunftsbefugnisse bei Post, Luftverkehrsgesellschaften und Telekom. Auch bekam er das Recht, Informationen bei Banken und Finanzunternehmen über Konten und Konteninhaber zu sammeln. Datensammlung ist allgemein in Deutschland ein sehr heikles Thema geworden. Durch die 2006 entstehende Antiterrordatei wurden Datenbanken von 38 verschiedenen deutschen Sicherheitsbehörden, die wegen des Trennungsgebots nicht zusammenarbeiteten, vernetzt. Die Polizei und die Geheimdienste haben dann einen offenen Zugriff auf Grunddaten (Religion, Waffenbesitz, Beruf, Reisen, Telefondaten, usw.) von Personen, auf die sich ein Verdacht auf geplante Attentate richtet. Die Opposition kritisierte, dass der Besuch einer vermutlichen terroristischen Website ein genügender Grund für die Datensammlung ist[9]. Außerdem fürchtete die Opposition (FDP, Grünen, Linke) um das Datenschutzprinzip, das der Entwicklung des Überwachungsstaats entgegenwirkt. Heute läuft immer noch der Streit um die Vorratsdatenspeicherung bezüglich der nach den Madrider Terroranschlägen entstehenden EU-Richtlinie, die 6-monatige Speicherung von Telefon- und Internetdaten vorschreibt[10]. Deutschland hat die Richtlinie zwar umgesetzt[11] aber die verschiedenen Parteien sind sich trotzdem nicht einig. Seit 2008 wird jede Telefon-, Handy- oder Email-Mitteilung 6 Monate zur Nutzung von der Polizei, den Nachrichtendiensten und der Staatsanwaltschaft gespeichert[12]. Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, hat sich 2000 für ein „Quick-Freeze-Modell“ ausgesprochen, bei dem die Daten von den Providern normalerweise nur 7 Tage gespeichert werden, aber bis einem Monat bei Anfangsverdacht[13]

Diese Verstärkung der Innensicherheitspolitik soll aber ihre Grenze finden an der Meinungsfreiheit und beim Rechtsstaat. Insbesondere ist noch sehr umstritten die Tatsache, dass die vage und unklare Definition des gesetzlichen Begriffs „Terrorismus“ dazu führt, dass ein Soziologe namens Andrej Holm ohne terroristische Absicht als ein vermutlicher Terrorist verhaftet wurde. Die einzige Grundlage der Verhaftung war die Ähnlichkeit zwischen seinen wissenschaftlichen Schriften und den Texten des antimilitaristischen Vereins „Militante Gruppe“, die beschuldigt wurde, versucht zu haben, drei Bundeswehrfahrzeuge in Brand zu setzen[14]. Eine solche Affäre sollte eine gesellschaftliche Debatte erwecken: was ist Terrorismus überhaupt? 

Q.H. 



[1]„Friedrich eröffnet Abwehrzentrum“, Kölner Stadtanzeiger, 15.11.2012.  
[2] Das ursprüngliche Ziel dieses Amtes ist die Überwachung der Gruppierungen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) Deutschlands bedrohen. 
[3] „Reform des Verfassungsschutzes“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.12.2012.  
[4] „Sicherheitspaket I: Mehr Geld und schärfere Gesetze“, Stuttgarter Nachrichten, 27.09.2001.  
[5]§§ 1 – 2 des Vereinsgesetzes.  
[6]§ 129 b des Strafgesetzbuches (StGB).  
[7] Diese Trennung hat eine besondere Wichtigkeit in Deutschland, wenn man bedenkt, dass eine solche Trennung zwischen der Gestapo und dem Reichssicherheitshauptamt an der Nazi-Zeit nicht existierte.
[8] „Neues Abwehrzentrum existiert gar nicht“, Telepolis, 20.11.2012.  
[9] Studzinsky Silke, « 19. Jusqu'où ira l'antiterrorisme en Allemagne ? », in Didier Bigo et al., Au nom du 11 septembre..., La Découverte « Cahiers libres », 2008, p. 246-259.  
[10] Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten.  
[11] Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG.
[12]Studzinsky Silke, op. cit. 
[13] „Vorratsdatenspeicherung: Schaar schlägt "Quick Freeze Plus" vor“, Heise Online, 12.11.2010.
[14] Studzinsky Silke, op. cit.

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